9.2.2 Koordinatengleichungen für Geraden



Es wird nun zunächst die allgemeinste Form einer Koordinatengleichung für eine Gerade vorgestellt. Damit lässt sich jede Gerade in der Ebene als unendliche Punktmenge bezüglich eines gegebenen Koordinatensystems angeben.

Info 9.2.2  
 
Eine Gerade g im 2 ist eine Punktmenge

g={(x;y)2 :px+qy=c}.

Dabei sind p,q,c reelle Zahlen, welche die Gerade festlegen. Die Zahlen p und q dürfen dabei nicht beide gleich 0 sein. Die lineare Gleichung

px+qy=c

heißt Geradengleichung oder genauer, um sie von anderen möglichen Formen von Geradengleichungen zu unterscheiden, auch Koordinatenform der Geradengleichung. Um die oben stehende Mengenschreibweise für Geraden abzukürzen, hat es sich auch eingebürgert, nur die Variable für die Gerade und die Geradengleichung anzugeben:

g:px+qy=c.



Das folgende Beispiel zeigt einige Geraden und ihre Mengenbeschreibungen bzw. Geradengleichungen.

Beispiel 9.2.3  


  •   g={(x;y)2 :x-y=0}
    ./_B60C987A_4x.png
    Abbildung 9.2.3: Skizze  (C)



    Hier ist p=1, q=-1 und c=0.

  •   h:-x-2=-3yh:-x+3y=2
    ./_8826BF79_4x.png
    Abbildung 9.2.4: Skizze  (C)



    Hier ist p=-1, q=3 und c=2.

  •   α:4y=1
    ./_5C0AA739_4x.png
    Abbildung 9.2.5: Skizze  (C)



    Hier ist p=0, q=4 und c=1.

  •   β={(x;y)2 :x-1=0}
    ./_1B9FD6E2_4x.png
    Abbildung 9.2.6: Skizze  (C)



    Hier ist p=1, q=0 und c=1.





Ziel ist es nun eine Gerade, welche durch eine Geradengleichung oder andere Daten eindeutig festgelegt ist, in einem Koordinatensystem im 2 korrekt einzeichnen zu können. Hierfür wird noch ein genauerer Zusammenhang zu den Graphen linear-affiner Funktionen benötigt. Außerdem muss man wissen, durch welche Arten von Daten eine Gerade in der Ebene eindeutig festgelegt ist. Dies wird im Folgenden vorgestellt.

Info 9.2.4  
 
Eine Gerade g, gegeben durch eine Geradengleichung in Koordinatenform

g:px+qy=c,

kann in Normalform angegeben werden, falls q0 gilt. Denn dann lässt sich die Geradengleichung px+qy=c nach y auflösen und die Normalform von g lautet

g:y=- p q x+ c q .

In dieser Form beschreibt die Gerade den Graphen einer linear-affinen Funktion f mit Steigung - p q und Achsenabschnitt c q :

f:  { xy=f(x)=- p q x+ c q .



Da man in der Normalform einer Geraden ihre Steigung und ihren Achsenabschnitt ablesen kann, kann man diese so wie die Graphen linear-affiner Funktionen zeichnen.

Beispiel 9.2.5  
Die Gerade

g={(x;y)2 :-x-2y=2}

besitzt die Geradengleichung -x-2y=2 in Koordinatenform. Durch Äquivalenzumformungen linearer Gleichungen kann diese auf die Form y=- 1 2 x-1 gebracht werden. Somit hat g die Normalform

g:y=- 1 2 x-1

und beschreibt dadurch den Graphen der linear-affinen Funktion

f:  { xy=f(x)=- 1 2 x-1

mit der Steigung - 1 2 und dem Achsenabschnitt -1.

Um g zu zeichnen, mache man sich Folgendes klar: Der Achsenabschnitt -1 impliziert, dass g den Punkt (0;-1) beinhaltet. Ausgehend von diesem Punkt kann g durch das Anlegen eines Steigungsdreiecks der Steigung - 1 2 (um x=1 nach rechts und um y= 1 2 nach unten) in der korrekten Richtung gezeichnet werden:
./_5D97D04D_4x.png
Abbildung 9.2.7: Skizze  (C)



An dieser Stelle sind nun zwei Besonderheiten zu beachten. Diese zeigen sich am Beispiel der beiden Geraden α:4y=1 und β:x-1=0 aus Beispiel 9.2.3:

./_5C0AA739_4x.png
Abbildung 9.2.8: Skizze  (C)



./_1B9FD6E2_4x.png
Abbildung 9.2.9: Skizze  (C)



Die Gerade α ist parallel zur x-Achse. Ihre Normalform α:y= 1 4 beschreibt also den Graphen einer konstanten Funktion, als Spezialfall der linear-affinen Funktionen. Die Gerade β ist parallel zur y-Achse. Ihre Geradengleichung erfüllt nicht die Voraussetzungen, um auf Normalform gebracht werden zu können. Dies trifft auf alle Geraden zu, die parallel zur y-Achse verlaufen. Für solche Geraden gibt es also keine Normalform, da sie nicht durch den Graphen einer Funktion beschrieben werden können (vgl. 6.1.4). Weiterhin besitzen Geraden parallel zur y-Achse auch keinen Achsenabschnitt, da sie die y-Achse nicht schneiden. Auch eine Steigung besitzen solche Geraden eigentlich nicht, man kann ihnen aber aus Konsistenzgründen die Steigung zuordnen.

Aufgabe 9.2.6  
Zeichnen Sie die folgenden Geraden in ein Koordinatensystem ein. Bringen Sie die Geradengleichung (falls möglich und nötig) jeweils zunächst auf Normalform.

  • g1 :y=-2x+3

  • g2 :-2x+y-2=0

  • g3 :x+3=0





Aufgabe 9.2.7  
Gegeben sei eine Gerade h durch folgendes Bild:
./_21C63CFE_4x.png
Abbildung 9.2.13: Skizze  (C)



Geben Sie die Geradengleichung von h in Normalform an.
h:y=



Außer mittels einer Geradengleichung, kann eine bestimmte Gerade in der Ebene auch durch andere Daten eindeutig festgelegt werden. Aus diesen Daten kann man die zugehörige Geradengleichung ermitteln und die entsprechende Gerade in ein Koordinatensystem einzeichnen.

Info 9.2.8  
 
Für eine Gerade in der Ebene gilt:
  • „Zwei Punkte legen eine Gerade eindeutig fest“: Sind zwei Punkte P und Q im 2 gegeben, so gibt es genau eine Gerade g, welche durch P und Q verläuft. Man schreibt dann auch g= gPQ = gQP oder einfach g=PQ für die Gerade durch P und Q.

  • „Ein Punkt und eine Steigung legen eine Gerade eindeutig fest“: Ist ein Punkt P und eine Steigung m gegeben, so gibt es genau eine Gerade g, welche durch P verläuft und die Steigung m besitzt.



Die folgenden beiden Beispiele zeigen, wie aus Daten, die eine Gerade eindeutig festlegen, die entsprechende Geradengleichung ermittelt und die Gerade gezeichnet werden kann.

Beispiel 9.2.9  
Gegeben sind die Punkte P=(-1;-1) und Q=(2;1). Die Gerade gPQ =PQ durch diese beiden Punkte kann direkt gezeichnet werden. Zur Ermittlung der Geradengleichung ist es nützlich, die beiden gegebenen Punkte zur Konstruktion eines Steigungsdreiecks zu nutzen:
./_F859759C_4x.png
Abbildung 9.2.14: Skizze  (C)



Aus den x-Koordinaten -1 und 2 von P und Q ergibt sich die Breite 3 des Steigungsdreiecks und aus den entsprechenden y-Koordinaten -1 und 1 die Höhe 2. Damit ist die Steigung der Gerade m= 2 3 . Man erhält nun die Geradengleichung von gPQ in Normalform:

gPQ :y=mx+b= 2 3 x+b.

Es wird nur noch der Achsenabschnitt b benötigt. Hierfür nutzt man aus, dass gPQ durch die beiden Punkte P und Q verläuft. Man setzt die x- und y-Koordinaten eines der beiden Punkte in die Geradengleichung ein und berechnet b. Benutzt man zum Beispiel den Punkt Q=(2;1) erhält man

1= 2 3 ·2+bb=1- 4 3 =- 1 3 .

Benutzung des Punktes P=(-1;-1) würde auf das gleiche Ergebnis führen. Somit lautet die gesuchte Geradengleichung in Normalform

gPQ :y= 2 3 x- 1 3 .



Beispiel 9.2.10  
Gegeben ist der Punkt R=(2;-1) und die Steigung m= 1 2 . Gesucht ist die Gerade g, welche durch R verläuft und die Steigung m= 1 2 besitzt. Analog wie in Beispiel 9.2.9 oben kann hier die Normalform der Geradengleichung von g mit noch unbekanntem Achsenabschnitt direkt angegeben werden:

g:y=mx+b= 1 2 x+b.

Weiterhin sind hier nun x- und y-Koordinaten des Punktes R gegeben, aus welchen - ebenfalls wie in Beispiel 9.2.9 oben - der Achsenabschnitt b berechnet werden kann:

-1= 1 2 ·2+bb=-2.

Somit lautet die gesuchte Geradengleichung

g:y=mx+b= 1 2 x-2.

Aus dem Punkt R=(2;-1) und der Steigung m= 1 2 kann g auch sofort gezeichnet werden, wie das folgende Bild veranschaulicht:
./_7E01A236_4x.png
Abbildung 9.2.15: Skizze  (C)



Aufgabe 9.2.11  
Geben Sie jeweils die gesuchten Geradengleichungen an und zeichnen Sie jeweils die Geraden.
  1. Gegeben sind die Punkte A=(1;5) und B=(3;1).
    gAB :y=

  2. Gegeben sind die Punkte S=(1,5;-0,5) und T= ( 3 2 ;2 ).
    gST :x=

  3. Gesucht ist die Gleichung der Gerade g durch den Punkt (-4;3) mit der Steigung -1.
    g:y=

  4. Gesucht ist die Gleichung der Gerade h durch den Punkt (42;2) mit der Steigung 0.
    h:y=